South of Midnight – Zwischen Südstaaten-Märchen, Gänsehautgesang und Spindelmagie

Veröffentlicht am 27. April 2025 um 14:31

Ein bisschen wie ein Südstaaten-Fiebertraum mit Stop-Motion-Charme, einer Prise Melancholie und einer ordentlichen Portion stilvollem Magie-Geflecht.

 

Ja, der Stil ist anfangs... sagen wir mal: ungewöhnlich. Die Charaktere wirken wie animierte Knetfiguren in einem Stop-Motion-Film. Aber keine Sorge – man gewöhnt sich nicht nur schnell daran, sondern erkennt, wie gut dieser Look zur Atmosphäre passt. Wer’s gar nicht abkann, kann den Effekt in den Optionen auch ausschalten – wir empfehlen aber ganz klar: anlassen! Der Stil passt wie die Faust aufs Auge zur melancholisch-schrägen Comic-Optik.

 

Denn unter dem knubbeligen Look steckt eine tiefgründige Story voller Trauer, Verlust und Selbstzweifel verpackt in eine Gothic-Folklore, wie man sie so selten erlebt.

 

Wenn der Boss singt, und du Gänsehaut kriegst

Was South of Midnight besonders macht? Die Musik! Die Soundkulisse ist nicht nur atmosphärisch, sondern greift aktiv in die Story ein. In mehreren Szenen wird das Geschehen musikalisch erzählt – fast wie ein düsteres Musical.

Ein Moment, in dem sich ein Bosskampf plötzlich in ein klagendes Geständnis verwandelt.

 

Spoiler ahead: Während man einen riesigen Baum erklimmt, erfährt man, dass dieser einst ein Junge namens Benjy war, gemobbt, missverstanden – und von seinem eigenen Bruder ermordet. Der Bruder gesteht alles - Singend. Und du sitzt einfach nur da, mit offenem Mund:

"He was my brother, Benjy his name,
He saw things different, he was my shame.
I said goodbye, I said farewell,
I took my hammer, my ticket to hell."

Gänsehaut-Level? 12 von 10.

 

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Die Sprachausgabe ist ausschließlich auf Englisch und nicht auf dem "Netflix-Einsteiger-Level", sondern tief verwurzelt im Südstaaten-Dialekt. Das bedeutet: verschleppte Aussprache, ungewohnter Slang, teils schwer verständlich, selbst für geübte Hörer. Für manche mag das charmant und atmosphärisch sein, für andere ist es eine echte Sprachhürde. Untertitel sind also Pflicht, wenn man keine Gänsehaut vor Verwirrung bekommen möchte.

 

Springen, klettern, kämpfen – aber bitte mit Magie

Abseits dieser emotionalen Höhepunkte besteht das Gameplay aus einer Mischung aus Kämpfen, Sprungpassagen und ein paar Klettereinlagen. Auch für Sprung-Genervte (Nex hustet irgendwo leise) sei gesagt: Diese Hüpfpassagen sind wirklich angenehm zu meistern – elegant designt und abwechslungsreich inszeniert. Kein Rage-Quit-Risiko.

Die Kämpfe sind okay, aber nicht besonders spektakulär. Es gibt zwei Angriffstasten sowie Spezialfähigkeiten genannt „Weben“, bei dem ihr Feinde mit euren Spindeln z.B. einfädelt, um sie kurzzeitig bewegungsunfähig zu machen. Neue Fähigkeiten bekommt ihr, indem ihr in der Welt „Flausch“ findet – ja, wirklich – der sich meist abseits der Hauptwege versteckt.

Den sogenannten „Flausch“, den ihr zum Ausbau eurer Fähigkeiten braucht, findet ihr überraschend oft – vorausgesetzt, ihr habt den Mut, auch mal abseits der breiten Hauptwege zu wandern. Kleine, verschlungene Pfade laden dazu ein, die ausgetretenen Routen zu verlassen.

 

Manchmal enden sie in einer Sackgasse, manchmal führen sie euch auf verwinkeltem Umweg wieder zurück zum Hauptpfad – aber immer gibt es etwas zu entdecken. Verlaufen oder stundenlang in einem endlosen Wald herumirren müsst ihr hier übrigens nicht befürchten. South of Midnight bleibt angenehm übersichtlich und belohnt neugieriges Erkunden, ohne euch in Orientierungslosigkeit zu verlieren.

Die fünf Bossfights zählen zu den Highlights des Spiels – jeder einzelne ist liebevoll inszeniert, optisch eindrucksvoll und angenehm abwechslungsreich. Mal geht’s klassisch mit Magie und Ausweichen zur Sache, mal erfordert der Kampf mehr Timing und Kreativität. Bei einem Boss müsst ihr nicht mal kämpfen, sondern beweist eure Sprungkünste in einer reinen Plattforming-Herausforderung – eine willkommene Abwechslung zum sonstigen Schlagabtausch.

 

Fun Fact:

Die mystischen Wesen, denen ihr hier begegnet, sind nicht einfach ausgedacht – sie basieren tatsächlich auf Fabelwesen aus der echten südstaatlichen Folklore der USA. Wer also auf Mythen und Sagen steht, wird hier gleich doppelt belohnt: mit Kampf und Kultur.

Schwierig? Du bestimmst wie sehr

South of Midnight bietet euch fünf Schwierigkeitsgrade – von reinem Story-Modus bis zur knackigen Boss-Herausforderung. Ihr könnt alles jederzeit individuell anpassen. Wer einfach nur die Story genießen will, bekommt einen interaktiven Film mit leichtem Puzzling und keinen Kämpfen. Wer lieber schwitzen will: Bitte sehr.

  • Wahrsagerin – Nur Story
  • Heilerin – Leicht
  • Weberin – Mittel
  • Große Weberin – Schwer
  • Angepasste Tapisserie – Deine Regeln, dein Spiel

 

Puzzles mega Easy!

Zwischendurch begegnet man Rätseln, die so simpel gestrickt sind, dass man sich fast schon fragt, ob das Spiel einen gerade ein bisschen auf den Arm nimmt – charmant, versteht sich. Meist geht es darum, einen versteckten Schalter zu finden oder ein paar Kisten zu verschieben. Manchmal kommt auch eine kleine Puppe zum Einsatz, die man wie eine Marionette durch enge Öffnungen steuert. Die Rätsel sind kein Hirnverzwirbler, sondern eher entspannte Verschnaufpausen zwischen Kämpfen und Sprungeinlagen.

Unser Fazit:

South of Midnight ist eine kleine, feine Überraschung – visuell, musikalisch und emotional. Auch wenn das Spiel nicht perfekt ist und gerade das Gegner-Design auf Dauer etwas mehr Abwechslung vertragen könnte, macht es vieles richtig, was heute oft fehlt: Atmosphäre, Seele und einen ganz eigenen Stil.

Hier geht es weniger um perfekte Mechaniken oder nervenaufreibende Challenges, sondern vielmehr darum, sich in eine kunstvolle Welt ziehen zu lassen – eine Welt, die tief in der melancholisch-mystischen Südstaaten-Folklore verwurzelt ist. Begleitet von Gänsehaut-Musik, charmant schräger Stop-Motion-Optik und einer Prise Magie, erlebt ihr ein Abenteuer, das euch für rund 12 Stunden fesseln wird.

Ob am PC oder auf der Xbox Series X|S – South of Midnight bietet genau das richtige Erlebnis für alle, die mal wieder ein Spiel mit echter Seele (und Spindeln!) suchen. Wer Lust auf etwas Eigenständiges und Kreatives hat, sollte diesem ungewöhnlichen Abenteuer unbedingt eine Chance geben.

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